Die Vorträge der Starnberger See Gespräche 2024
Die Vorträge der Starnberger See Gespräche 2024
Dr. Stefan Groß-Selbeck, Vorsitzender Gründungskommission DATI, Ehem. CEO Xing AG
„Disruptive Innovationen entwickeln und weltweit erfolgreich vermarkten – geht dies nur im Silicon Valley?“„
SABS: Herr Dr. Groß-Selbeck, in Ihrem Vortrag haben Sie eindrucksvoll die vielen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft und den Rückgang unserer Produktivität im Vergleich zu den USA angesprochen. Warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, sich gerade jetzt mit disruptiven Innovationen auseinanderzusetzen?
Dr. Stefan Groß-Selbeck: Disruptive Innovationen sind deshalb so entscheidend, weil sie bestehende Systeme und Geschäftsmodelle grundlegend verändern. In Deutschland haben wir uns lange auf inkrementelle Innovationen konzentriert, also auf schrittweise Verbesserungen bestehender Produkte. Das hat uns in Bereichen wie dem Automobilbau und Maschinenbau weit gebracht. Doch die digitale Revolution hat gezeigt, dass radikale Veränderungen nötig sind, um im globalen Wettbewerb mitzuhalten. Wir haben die Digitalisierung lange verpasst, und das wirkt sich negativ auf unsere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit aus.
SABS: Sie haben besonders die Bedeutung von Plattformen wie Google, Amazon und Facebook hervorgehoben. Wieso konnte Europa in diesem Bereich nicht mithalten?
Dr. Stefan Groß-Selbeck: Der Grund ist einfach: Wir haben die Digitalisierung in Europa verschlafen. In den USA sind Plattformen wie Google, Amazon und Facebook bereits seit den 90er Jahren führend, während in Europa kaum vergleichbare Plattformen entstanden sind. Besonders im B2B-Bereich, der lange als unsere Stärke galt, haben wir den Anschluss verloren. Unternehmen wie Amazon und Microsoft dominieren den Cloud-Markt, der heute viel mehr ist als nur Datenspeicherung – er ist das Rückgrat der digitalen Wirtschaft. In Europa fehlt es uns oft an der nötigen Infrastruktur und den Investitionen in disruptive Technologien.
SABS: Sie erwähnten auch die Schwäche Europas bei der Entwicklung von Large Language Models und KI. Warum ist das so problematisch für die Zukunft der Wirtschaft?
Dr. Stefan Groß-Selbeck: KI und insbesondere Large Language Models sind der nächste große Disruptor. Diese Technologien haben das Potenzial, nicht nur ganze Branchen zu verändern, sondern auch neue Geschäftsmodelle und Märkte zu schaffen. In Europa fehlt uns leider die Infrastruktur, um solche Modelle auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu entwickeln. Das liegt daran, dass wir nicht die Unternehmen haben, die bereit sind, Milliarden in die Entwicklung dieser Technologien zu investieren. Wenn wir in diesem Bereich nicht aufholen, werden wir langfristig nicht nur an Produktivität verlieren, sondern auch an globaler Relevanz.
SABS: Ein interessanter Punkt in Ihrem Vortrag war das sogenannte „Innovator’s Dilemma“. Können Sie kurz erklären, warum große, etablierte Unternehmen so oft Schwierigkeiten haben, disruptive Innovationen umzusetzen?
Dr. Stefan Groß-Selbeck: Das Innovator’s Dilemma beschreibt das Problem, dass große, erfolgreiche Unternehmen oft Schwierigkeiten haben, disruptive Innovationen voranzutreiben. Der Grund ist, dass diese Unternehmen auf bewährte Prozesse und Produkte setzen und verständlicherweise zögern, auf ein völlig neues, riskantes Pferd zu setzen. Start-ups und kleinere Unternehmen haben diesen Vorteil, dass sie nichts zu verlieren haben und daher mutiger agieren können. In Deutschland haben wir uns lange auf die etablierten Industrien verlassen, statt neue, disruptive Unternehmen zu fördern.
SABS: Sie haben auch die Innovationsagenda 2030 erwähnt. Was sind die wichtigsten Punkte dieser Agenda?
Dr. Stefan Groß-Selbeck: Die Innovationsagenda 2030 soll uns helfen, den Anschluss an die globale Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Dabei geht es vor allem darum, unsere Stärken zu stärken – wir sind weltweit führend in Forschung und Entwicklung, aber wir schaffen es oft nicht, diese Erkenntnisse in marktfähige Produkte zu überführen. Ein weiterer zentraler Punkt ist der Transfer von Forschung in die Praxis, also die Förderung von Start-ups und die Schaffung einer besseren Infrastruktur für Innovationen. Es braucht klare Strategien, weniger Bürokratie und mehr gezielte Investitionen, um disruptive Innovationen zu ermöglichen.
SABS: Abschließend: Glauben Sie, dass Deutschland und Europa noch aufholen können, wenn es um disruptive Innovationen geht?
Dr. Stefan Groß-Selbeck: Absolut. Wir haben in Europa und insbesondere in Deutschland hervorragende Köpfe, die in der Forschung und Entwicklung Weltspitze sind. Aber es ist jetzt entscheidend, dass wir den nächsten Schritt gehen und diese Erkenntnisse auch wirtschaftlich nutzen. Das bedeutet, dass wir unsere Innovationssysteme modernisieren, mutigere Entscheidungen treffen und in die Zukunftstechnologien investieren müssen. Wenn wir das schaffen, können wir definitiv aufholen – aber die Zeit drängt.
„Disruptive Innovationen sind entscheidend, um im globalen Wettbewerb mitzuhalten.“
„Wir haben die Digitalisierung in Europa verschlafen.“
„Es braucht klare Strategien und mehr Investitionen, um disruptive Innovationen zu ermöglichen.“
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